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Rente mit 70?

Januar 2015

Die Menschen werden immer älter, die Senioren immer fitter, die Altersarmut steigt. Zusätzlich sind viele Branchen von einem dramatischen Fachkräftemangel betroffen.

So bringt der War for Talents immer neue Ideen hervor. Ganz aktuell sorgt der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, mit seinem Vorschlag zur Minderung des Fachkräftemangels für Aufsehen. Er schlägt vor, eine Beschäftigung über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus zu ermöglichen – beispielsweise bis zum 70. Lebensjahr – und diese attraktiv auszugestalten. In einem Gespräch mit der „Welt“ sagte Weise: „Flexible Ausstiege aus dem Erwerbsleben sind grundsätzlich ein gutes Modell“. Wer will und kann, darf schon heute im Rentenalter arbeiten. Weise sieht für diese Menschen eine zusätzliche Förderung vor.

Keine Einkommenssteuer?

Dieser Vorschlag erntete zum Teil herbe Kritik. Nun melden sich erste Stimmen, die den Vorschlag positiv bewerten, so z. B. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow. „Ich sehe diesen Vorschlag nicht als Quatsch an“ gab der Linken-Politiker der „Thüringischen Landeszeitung“ zu Protokoll. Fachwissen und Lebenserfahrung sollten Unternehmen nicht verloren gehen, so Ramelow. „Es muss aber eine Win-Win-Situation für beide Seiten sein.“ Ein solches System müsse „einen entsprechenden Anreiz bieten und darf nicht auf Druck aufgebaut sein“, sagte Ramelow weiter. „Arbeitnehmern, die das Rentenalter erreicht haben, aber weiter arbeiten wollen, kann beispielsweise die Einkommenssteuer erlassen werden.“

Während an dieser Position aus den Reihen der Linken harsche Kritik formuliert wurde, gab es von den Grünen Zustimmung. Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer, sagte gegenüber der „Neuen Presse“ aus Hannover, dass flexible Rentenübergänge „mehr als überfällig“ seien. Hingegen hatte der Parteichef der Linken, Bernd Riexinger, den Vorschlag von Frank-Jürgen Weise als „abenteuerlich und völlig verfehlt“ bezeichnet.

Nur für Akademiker?

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) reagierte bislang verhalten auf den Vorschlag der Rente mit 70. Es sei zwar richtig, dass Fachkräfte ggf. länger an das Unternehmen gebunden werden müssten, die Chance hierfür hänge jedoch häufig von ihrem Abschluss ab. Dies sagte DGB-Vorstand Annelie Buntenbach gegenüber „NDR Info“. „Mehr als drei Viertel von denjenigen, die zwischen 60 und 65 Jahren noch einen sozialversicherungspflichtigen Job haben, haben einen Berufsabschluss und sind Akademiker“, sagte sie. Damit stellt sie insbesondere auf die anderen Arbeitsbedingungen derjenigen ab, die schlechter qualifiziert sind oder mit härteren Arbeitsbedingungen umgehen müssen. Gerade letztere müssten eine ausreichende Rente erhalten.

„Klingt wie Hohn“

Von den 60- bis 65-Jährigen sei nach wie vor nur ein Drittel sozialversicherungspflichtig beschäftigt, sagte Buntenbach der „Neuen Westfälischen“. In den Ohren derjenigen, die es nicht bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter schaffen, müsse es „wie Hohn klingen, wenn wieder einmal über die Freiheit des längeren Arbeitens philosophiert wird“.

Nach Zahlen der Bundesagentur gingen Ende Juni 2014 knapp 173.000 Ältere zwischen 65 und 74 Jahren einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach. In der Altersgruppe von 65 bis 69 waren es zum selben Zeitpunkt 130.000.